Die Übersetzung aus Sicht der CE-Kennzeichnung
Welche Teile der Dokumentation müssen übersetzt werden? Und in welche Sprachen?
Die technischen Unterlagen sind wichtiger Bestandteil jeder CE-Kennzeichnung. Dabei wird jedoch ein ebenso wichtiger Bestandteil gerne vergessen oder nicht beachtet. Die Forderung zur Übersetzung in die Landessprache.
In der heutigen Folge spricht Florian Schmider über die Übersetzung der technischen Unterlagen für die CE-Kennzeichnung. Denn der Gesetzgeber stellt an die Hersteller eine klare Aufgabe: Die Unterlagen für den Verwender des Produktes müssen in die jeweilige Landessprache übersetzt werden. Trotz dieser klaren Formulierung wird die Anforderung gerne missachtet oder die Verantwortung verlagert. Heute betrachten wir die Ursprünge sowie Folgen bei der Missachtung.
Wer kennt es nicht? Mal schnell auf Amazon oder Ebay einen neuen Sandwich Maker bestellt, weil der alte seinen Geist aufgegeben hat. Produktbeschreibung sah gut aus und der neue hat sogar mehr Funktionen als der alte. Das Produkt wird geliefert und man möchte sich mit diesem vertraut machen, indem man die Anleitung liest. Aber diese ist nur in einer Fremdsprache vorhanden, die man nicht lesen kann. Ist das denn überhaupt rechtens?
Die Anleitung in einer nicht lesbaren Sprache ist keineswegs ein erfundenes Beispiel. Mir ist es sogar erst kürzlich bei einer Bestellung im Onlinehandel selbst passiert. Zum Elektroprodukt gab es in diesem Fall nur eine englische Anleitung.
Entsprechend stellt man sich die Frage: Ist das überhaupt rechtens? Darf ich eine englische Anleitung in Deutschland ausliefern? In meinem Fall wäre es sogar eine für mich verständliche Sprache. Also ist die Anforderung aus der CE-Kennzeichnung korrekt erfüllt? Und wie sieht die rechtliche Lage aus, wenn der Hersteller den Kunden zur Übersetzung vertraglich verpflichtet oder eine Sprache vertraglich festgelegt wird?
Die rechtliche Ausgangslage der CE-Kennzeichnung
Die Situation kann dabei schnell komplex und umfangreich werden. Daher gehen wir das Thema schrittweise an, Stück für Stück. Zunächst einmal schauen wir an, wer oder wie ein Hersteller dazu verpflichtet, eine Betriebsanleitung oder ein vergleichbares Dokument zu erstellen und mitzuliefern.
Hier haben wir in erster Linie die CE-Richtlinien wie die Maschinenrichtlinie oder die Niederspannungsrichtline. Die CE-Richtlinien fordern die Erstellung der technischen Unterlagen im Zuge des Prozesses zur CE-Kennzeichnung. In diesem Kontext sei bereits gesagt, dass eine CE-Kennzeichnung nur auf dem Produkt angebracht werden darf, falls die technischen Unterlagen vorhanden sind. Oder anders ausgedrückt: Ohne Betriebsanleitung keine CE-Kennzeichnung. Ohne CE-Kennzeichnung kein Verkauf des Produktes.
Ergo ist das, was viele Hersteller auf dem Markt machen, rechtswidrig. Eine Anleitung darf nicht im Nachhinein fertiggestellt werden. Selbst eine Inbetriebnahme beim Kunden ohne Anleitung ist rechtlich gesehen eine Grauzone. Man bewegt sich sprichwörtlich auf dünnem Eis.
Rechtliche Ausgangslage für Übersetzungen
Aber bisher hatten wir es nur von der Anleitung allgemein. Ohne Besonderheiten für die Übersetzung. Wie sieht es also dort aus? Nun nicht wirklich anders. Die Übersetzung ist Teil des Prozesses der Erstellung der technischen Unterlagen. Somit darf ohne die Übersetzung der Anleitung keine CE-Kennzeichnung auf dem Produkt angebracht werden. Also auch kein Verkauf.
Auch bei der Auswahl der Sprache hat weder der Hersteller noch der Kunde eine Wahlmöglichkeit. Denn auch hier stellen die CE-Richtlinien eine entsprechende Anforderung. So steht zum Beispiel unter Artikel 6, Absatz 7 der Niederspannungsrichtlinie: „Die Hersteller gewährleisten, dass dem elektrischen Betriebsmittel eine Betriebsanleitung und Sicherheitsinformationen beigefügt sind, die in einer vom betreffenden Mitgliedstaat festgelegten Sprache, die von den Verbrauchern und sonstigen Endnutzern leicht verstanden werden kann, verfasst sind. Diese Betriebsanleitung und Sicherheitsinformationen sowie alle Kennzeichnungen müssen klar, verständlich und deutlich sein.“
Es ist also nicht möglich, eine andere Sprache mit dem Kunden zu vereinbaren. Die Landessprache ist einzuhalten. Das bedeutet, wenn Sie Ihre Produkte in allen 27 Mitgliedsstaaten der EU verkaufen möchten, benötigen Sie entsprechend 27 Übersetzungen. Sollten Sie das nicht haben, empfehle ich Ihnen dringend dies nachzuholen.
Selbe Bedingungen auch im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR)
Neben den Mitgliedsstaaten der EU besteht diese Anforderung auch im gesamten europäischen Wirtschaftsraum. Also auch in den Staaten Island, Norwegen und Liechtenstein. In der restlichen Welt sieht es übrigens nicht anders aus, selbst ohne Pflicht zur CE-Kennzeichnung. Denn dann greifen andere Gesetze die die Übersetzung regeln, meist Produktsicherheitsgesetze oder Produkthaftungsgesetze. Diese Gesetze gibt es so gut wie in jedem Staat und sie regeln dann auch alle Produkte.
Zum einen fordert das Produkthaftungsgesetz, dass der Anwender Informationen erhält, die er lesen und verstehen kann. Da das Produkthaftungsgesetz jedoch erst zum Tragen kommt, sobald jemand verletzt wurde, ist es für unsere Betrachtung nur zweitrangig.
Wichtiger ist das Produktsicherheitsgesetz, das im Jahr 2011 in Deutschland an die aktuellen Richtlinien der EU angepasst wurde. Auch hierin steht die Anforderung, dass Anleitung in Deutschland in deutscher Sprache vorliegen müssen. Und da dieses Gesetz auf einer anderen EU-Richtlinie basiert, kann man sagen, dass es dieses Gesetz in jedem anderen Mitgliedsstaat der EU ebenfalls gibt. Sollten Sie außerhalb des EWR agieren, empfehle ich Ihnen dringend eine Recherche zu den örtlichen Gegebenheiten.
Wieso halten sich Unternehmen nicht daran?
Wir können also festhalten: Ein Hersteller muss immer eine Übersetzung in der jeweiligen Landessprache zur Verfügung stellen. Trotzdem findet man, wie in meinem Eingangsbeispiel erwähnt, immer noch Anleitungen und Produkte, die diese Anforderungen nicht einhalten. Warum?
Nun was ich am häufigsten erlebe: Die Unternehmen kontrollieren wenig die für sie relevanten Gesetze, Richtlinien und Normen. In Konformitätserklärungen finde ich häufig veraltete Angaben. Einfach weil die Unternehmen die rechtliche Veränderung nicht mitbekommen. Oder vermuten, dass sich nur wenig verändert hat. Aber geringe Veränderungen genügen bereits um teuer zu werden. So wurde die Pflicht für die Übersetzung in die jeweilige Landessprache erst im Rahmen des New Legislative Framework der EU in die neuen Richtlinien und Verordnungen eingefügt. Die Niederspannungsrichtlinie enthält diese Übersetzungspflicht Wort wörtlich erst seit 2014, die EMV-Richtlinie ebenfalls.
Auch wenn inzwischen ein paar Jahre vergangen sind, ist diese Änderung teilweise bei den Herstellern unbekannt. Am häufigsten kommt dies bei kleineren und mittleren Unternehmen vor. Mein schwerster Fall war einmal eine Konformitätserklärung nach der ursprünglichen Maschinenrichtlinie von 1987.
Wie Umgehen Unternehmen diese Pflicht?
Hinzu kommt, dass Übersetzungen häufig als zusätzliche Kosten wahrgenommen werden, die nicht zum Produkt gehören. Als ob es eine Art Sonderzubehör wäre. Und so ist dann auch die Denkweise der Vertriebler. Jedoch sollte man Übersetzungskosten so berücksichtigen, wie Kosten einer Schutzeinrichtung. Die kann man auch nicht einfach weglassen. Die Kosten sollten also auch im Verkaufspreis entsprechend berücksichtigt sein.
Um mit diesen Kosten umzugehen, haben die Hersteller insbesondere deren Vertrieb, die verschiedensten Ideen. Ich werde die drei häufigsten kurz aufzählen und auch gleich erläutern, warum diese keine Lösung sind. Am häufigsten entspringen diese Ideen findigen Vertrieblern, die keine Ahnung von CE-Kennzeichnung und den dazugehörenden Gesetzen haben. Sie möchten nur alle Möglichkeiten anwenden, um ihr Produkt an den Kunden zu bringen. Selbst wenn man gegen Gesetze verstößt. Das damit verbundene Risiko für das Unternehmen fällt leider häufig unter den Tisch.
Missachtung aufgrund „vertraglicher Lösungen“
Eines der häufigsten Argumente ist die vertragliche Lösung. Mit dem Kunden wird als Sprache zum Beispiel Englisch vereinbart, obwohl das Produkt in die Niederlande geht. Das erste Problem hierbei ist, dass Vertragsrecht nie über öffentlichem Recht stehen darf. Der Vertrag verstößt direkt gegen das öffentliche Recht, in diesem Fall dem niederländischen Produktsicherheitsgesetz. Sollte das Produkt unter die CE-Kennzeichnungspflicht fallen, würde es ebenfalls gegen eines dieser Gesetze verstoßen. Dieser Weg funktioniert also nicht, bei CE-Produkten hätten wir zusätzlich eine missbräuchliche Anbringung der CE-Kennzeichnung, da die technischen Unterlagen nicht vollständig sind.
Eine andere, beliebte Variante ist die Vereinbarung, dass der Kunde die Übersetzung durchführen muss. Auch hier wird häufig das ganze vertraglich geregelt. Diese Idee ist noch schlechter als die erste. Denn jetzt muss der Hersteller kontrollieren, ob dies der Kunde tatsächlich tut. Falls der Kunde es nicht tut, muss der Hersteller die Maschine solange stillsetzen, bis die Übersetzung vorhanden ist.
Und ich bezweifle, dass ein Hersteller dies tun würde. Er möchte ja weitere Maschinen verkaufen. Aber kommt er dieser Pflicht wiederum nicht nach, hat er eine missbräuchlich gekennzeichnet Maschine auf dem Markt bereitgestellt und sieht sich entsprechenden Maßnahmen der Behörden ausgesetzt. Ein großes Risiko also. Weiterhin haftet er für die Qualität der Übersetzung des Kunden. Spart der Kunde bei der Übersetzung und es passiert etwas, haftet der Hersteller. Also auch eine schlechte Situation.
Häufig wird dann auch noch das Lastenheft des Kunden falsch gelesen. Denn wenn dort steht, dass die Maschine der CE-Kennzeichnung entsprechen muss, gehört auch die Übersetzung in die Landessprache dazu. Dann kann man nicht im Nachhinein die Übersetzungskosten einsparen. Findige Kunden werden wiederum auf die Einhaltung des Lastenheftes pochen und der Hersteller sitzt auf den Übersetzungskosten. Aber Hauptsache der Vertrieb hat eine Maschine verkauft.
Auch das Display muss übersetzt werden!
Die letzte, aber auch sehr beliebte Idee ist die Kosten zu begrenzen. Indem die Anzahl an Text so gering wie möglich gehalten wird. Häufig wird dann die Anleitung übersetzt, aber zum Beispiel die Displaytexte nicht. Oder es wird nur das Bedienkapitel übersetzt.
All das unter dem Argument „mehr benötigt der Bediener nicht“. Nur muss sich dann der Hersteller der Frage stellen: Warum hat die Anleitung dann weitere Kapitel, wenn der Bediener sie nicht benötigt? Hier hat ein Hersteller tatsächlich ein wenig Gestaltungsraum. Jedoch sollte er sehr genau definieren welche Aufgaben ein Bediener hat. Denn alle Informationen die der Bediener schlussendlich benötigt, müssen in seiner Sprache vorhanden sein. Displaytexte lassen sich auf jeden Fall in dieser Argumentation nicht einsparen.
Folgen bei Missachtung der Übersetzungspflicht
Wie Sie sehen, sollten Sie die Pflicht zur Übersetzung ernst nehmen. Um das nochmals zu verdeutlichen, betrachten wir nun noch zum Schluss die Folgen bei einer Missachtung der Pflicht. Auf Seiten der CE-Kennzeichnung haben wir immer eine missbräuchliche Anbringung des CE-Zeichens. Für diese Straftat gibt es Bußgelder von 10.000 bis zu 100.000 EUR je Produkt.
Daneben hat die Marktaufsicht weitreichende Möglichkeiten, die zusätzlich angewendet werden können. Da sind Maßnahmen dabei wie Produktrückruf genauso wie die sogenannte Gewinnabschöpfung. Bei der Gewinnabschöpfung rechnet Ihnen die Marktaufsicht vor, wie viel Sie durch Ihre Produkte voraussichtlich eingenommen haben und möchte dann diesen Betrag vom Unternehmen. Egal ob diese Rechnung stimmt oder nicht. Das ist so gut wie immer der Tod des betroffenen Unternehmens.
Neben diesen Bußgeldern für das Unternehmen haben wir außerdem unter Umständen personelle Konsequenzen, die auch bei schweren Fällen Haftstrafen bedeuten können. Und all das wegen einer fehlenden Übersetzung!
Da selbst die geringsten Bußgelder mit 10.000 EUR geahndet werden, nochmals mein Rat an Sie: Lassen Sie Ihre Dokumente von einem Profi übersetzen. Denn durch die Softwareunterstützung ist es heutzutage selten, dass eine Betriebsanleitung an diese Summe herankommt. Mit einem Bußgeld können Sie viele Übersetzungsaufträge finanzieren.
Ein Beispiel aus der Praxis
Zum Schluss habe ich sogar ein Beispiel dazu. Vor vielen Jahren klingelte mein Telefon und die Geschäftsführung eines Kunden war am Telefon. Der Kunde hatte mehrere Jahre Produkte nach Griechenland exportiert, ohne Anleitung. Weil Englisch ausreichen würde, die Anleitung eh niemand liest und es nur eine geringe Stückzahl war.
Und dann wurde die Marktaufsicht auf das Unternehmen aufmerksam und forderte Anleitungen zu 50 verschiedenen Produkten an. Und das in sehr kurzer Zeit. Sollten die Dokumente nicht in der vorgegebenen Zeit eingereicht werden, müsse der Hersteller alle Produkte aus dem Markt zurücknehmen und ein hohes Bußgeld an die Behörde bezahlen.
Wie hoch dieses Bußgeld gewesen sein könnte, weiß ich leider nicht. Aber es muss hoch gewesen sein, denn die Geschäftsleitung teilte mir mit: „Egal was es kostet, wir benötigen alle Übersetzungen bis Tag X“. Zusammen mit meinem Kollegen konnten wir das Ziel erfüllen. Aber nur durch die Zusammenarbeit und Koordination von mehreren Übersetzern war es möglich, die Anleitungen im geforderten Zeitfenster zu übersetzen und zur Verfügung stellen. Im Nachhinein waren sich aber alle Beteiligten einig: Eine ordnungsgemäße Übersetzung wie im Rahmen von anderen Aufträgen des Kunden wäre auf jeden Fall die günstigere Lösung gewesen.
Wichtige Links aus dieser Folge:
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Florian Schmider (f.schmider@gft-akademie.de) oder Florian Seckinger (f.seckinger@gft-akademie.de).